Restrukturierungsgesetz

Neue Pfade in der Finanzmarktregulierung

1.Hintergrund
Die weltweite Finanzmarktkrise, insbesondere die Insolvenz von Lehman Brothers und die Rettungsaktionen im weltweiten Finanzsektor haben deutlich gemacht, dass das bisher verfügbare Instrumentarium zum Umgang mit Finanzmarktakteuren, die in Schieflage geraten sind und von denen aufgrund ihrer weltweiten Vernetzung im Markt ein Risiko für das gesamte Finanzsystem ausgeht, nicht ausreicht. Es bedarf deshalb zusätzlicher Regelung.

Mit dem ab 2011 geltenden Restrukturierungsgesetz hat die Bundesrepublik Deutschland einen deutlich vernehmbaren Beitrag in die Regulierungsdebatte eingebracht.

Das Restrukturierungsgesetz ist ein Artikelgesetz, welches das Ziel verfolgt, dass Finanzinstitute zu hohe Risiken minimieren und die Kosten künftiger Bankenkrisen selbst tragen. Vor allem systemrelevante Banken sollen den Staat nicht länger zu Rettungsmaßnahmen zwingen können und Schieflagen frühzeitig und in erster Linie eigenverantwortlich bewältigen.

Ab 2011 gilt für die Banken ein besonderes Insolvenzverfahren
Alle Kreditinstitute in Deutschland müssen ab 2011 jährlich eine Bankenabgabe in einen so genannten Restrukturierungsfonds einzahlen.
Im Kriesenfall sollen die Fondsmittel eingesetzt werden, um eine Bank zu stabilisieren.

Außerdem gelten seit dem 15.12.2010 zehnjährige Verjährungsfristen für die Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten börsennotierter Aktiengesellschaften. Bisher betrug die Verjährungsfrist 5 Jahre. Diese Frist gilt auch für Fälle vor diesem Zeitpunkt, wenn die zuvor geltende Verjährungsfrist zu diesem Termin noch nicht verstrichen ist.

Damit staatliche Mittel nicht durch unangemessene Vergütungsleistungen aus einer staatlich gestützten Bank abfließen, werden die Vergütungen für alle Mitarbeiter, nicht nur für die Vorstände auf 500.000 Euro pro Jahr begrenzt.

Mit dem neuen Restrukturierungsgesetz wurde eine umfassende Regelung zur Krisenbewältigung, zur Sanierung und zur Reorganisation von Banken geschaffen, die um einige weitere Regelungen zur Bankenregulierung ergänzt wird.

Im Einzelnen hält das Restrukturierungsgesetz folgende Neuerungen:

1. Das aufsichtsrechtliche Instrumentarium der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Prävention von Finanz- und Wirtschaftskrisen wird gestärkt. Es wird für die Fälle, in denen die Eigenmittelanforderungen noch erfüllt werden, aber die Gefahr der Nichterfüllung droht, um weitere Berichts- und Informationspflichten ergänzt.

Aufsichtsrechtliche Maßnahmen durch die BaFin nach § 45 KWG sind nicht nur dann zulässig, wenn das Institut keine angemessenen Eigenmittel hat, sondern bereits dann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass das Finanzinstitut die Eigenmittel- oder Liquiditätsforderungen nicht dauerhaft erfüllen kann.

Das ist dann der Fall, wenn sich von einem zum nächsten Meldestichtag die Gesamtkennziffer jeweils um mehr als 3% oder die Liquiditätskennziffer um mehr als 25% verringert haben (1. Alternative) oder an mindestens drei aufeinander folgenden Meldestichtagen sich die Gesamtkennziffer jeweils um mehr als 3% oder die Liquiditätskennziffer um mehr als 10% verringert haben (2. Alternative) und aufgrund der negativen Entwicklung mit einem Unterschreiten der Mindestanforderungen innerhalb der nächsten 12 Monate (1. Alternative)bzw. 18 Monate (2. Alternative) zu rechnen ist.

Nach § 45 Abs. 1 KWG kann die BaFin in diesen Fallen eine begründete Darstellung der zukünftigen Entwicklung der Geschäftsaktivitäten über einen Zeitraum von mindestens 3 Jahren verlangen und zur Vorlage an die BaFin und die Deutsche Bundesbank anfordern.

Diese Darstellung hat Planbilanzen, Plangewinn- und Verlustrechnungen sowie die geplante Entwicklung der bankaufsichtsrechtlichen Kennzahlen und damit die wesentlichen Bestandteile eines Geschäftsplanes einer Bank zu enthalten.

Außerdem kann die BaFin die Vorlage von Berichten zur Abschirmung von Risiken, Konzepte zum Ausstieg aus einzelnen Geschäftsbereichen oder Berichte über geeignete Maßnahmen zur Erhöhung des Kernkapitals, der Eigenmittel oder der  Liquidität verlangen.

Außerdem ist die Bafin befugt, die Entwicklung eines Konzeptes einer Nichterfüllung von Verpflichtungen verlangen. (§35 Abss. 2 Nr. 4KWG) Maßnahmen bei unzureichenden Eigenmitteln oder unzureichender Liquidität Die BaFin kann die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile untersagen und auf einen bestimmten Anteil des Jahresergebnisses beschränken (Ausnahme bei Regelung der Vergütungsbestandteile in einem Tarifvertrag) BaFin kann die Vorlage eines Restrukturierungsvertrages verlangen, wie und in welchem Zeitraum die Eigenmittelausstattung oder Liquidität des Institutes wieder nachhaltig wiederhergestellt werden kannBafin kann Auszahlungen von Erträgen aus Eigenmitteln, bilanzielle Maßnahmen zum Ausweis eines Bilanzgewinnes oder die Gewährung von Krediten untersagen Möglichkeit der Einsetzung eines SonderbeauftragtenDie BaFin kann einen Sonderbeauftragten in einem Kreditinstitut einsetzen, um aufsichtsrechtliche Maßnahmen effizienter durchsetzen zu können (§ 36 Abs. 1a KWG) Maßnahmen gegenüber Kreditinstituten bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystemes- Übertragungsanordnung Die Bafin kann die Übertragung von Teilen einer bestandsgefährdeten Rechtsträger (Brückeninstitut, das zu diesem Zweck vom neu geschaffenen Restrukturierungsfonds gegründet wird) verlangen, um die systemrelevanten zu trennen (§ 48a bis s KWG).

Eine solche Übertragungsanordnung darf die BaFin nur erlassen, wenn das Kreditinstitut in seinem Bestand gefährdet ist und hierdurch die Stabilität des Finanzsystemes gefährdet wird.

Außerdem setzt eine Übertragungsanordnung voraus, dass die von der Bestandsgefährdung ausgehende Systemgefährdung nicht auf anderem Wege als durch die Übertragungsanordnung in gleich sicherer Weise beseitigt werden kann.

Als Bestandsgefährdung gilt die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruches eines Kreditinstitutes für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen. (§ 48b Abs. 1 Satz 1 KWG) Gesetzlich wird eine Bestandsgefährdung z.B. vermutet, wenn das verfügbare Kernkapital das nach dem Gesetz erforderliche Kernkapital zu weniger als 90% deckt.

Eine Systemgefährdung liegt vor, wenn zu besorgen ist, dass sich die Bestandsgefährdung des Institutes in  erheblicher Weise negativ auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf die Finanzmärkte oder auf das allgemeine Vertrauen der Anleger und andere Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystemes auswirkt.

Die BaFin kann das Vorliegen einer Bestandsgefährdung und einer Systemgefährdung erst nach Anhörung der Deutschen Bundesbank feststellen.

Kern der Übertragungsanordnung ist die Angabe, dass die Gesamtheit des Vermögens des Kreditinstitutes einschließlich seiner Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger im Wege einer Ausgliederung gemäß §§ 123 Abs. 3,126 Abs. 1 UmwG übergeht.

Sofern der Wert der zu übertragenden Gegenstände positiv ist, muss die Übertragungsanordnung auch eine Gegenleistung an das Kreditinstitut vorsehen.
Die Übertragungsanordnung muss den Vorbehalt enthalten, dass einzelne Vermögenswerte, Verbindlichkeiten oder Rechtsverhältnisse durch gesonderte Anordnung der BaFin im Wege der partiellen Rückübertragung auf das ausgliedernde Kreditinstitut zurück übertragen werden
können.

Der Restrukturierungsfonds kann auch ohne konkreten Anlass juristische Personen als übernehmende Rechtsträger, sog. Brückeninstitute gründen.
Die Ausgliederung auf den übernehmenden Rechtsträger erfolgt auf der Grundlage der Übertragungsanordnung und der Zustimmungserklärung des übernehmenden Rechtsträgers aufgrund der Schlussbilanz aus dem letzten geprüften Jahresabschlusses des Kreditinstitutes.

Die Übertragungsanordnung und die Ausgliederung führen nicht zur Beendigung von Schuldverhältnissen, wobei entgegenstehende vertragliche Bestimmungen unwirksam sind.

($ 48g Abs. 7 KWG)
Das ausgliedernde Kreditinstitut haftet subsidiär für die von der Ausgliederung erfassten Verbindlichkeiten, soweit der Gläubiger von dem übernehmenden Rechtsträger keine Befriedigung erlangen kann, beschränkt auf die Höhe des Betrages, den der Gläubiger im Rahmen einer Abwicklung des Kreditinstitutes selbst erlöst haben würde, wenn die Ausgliederung unterblieben wäre (§ 48h, Abs. 1 KWG) III. Sanierungsverfahren und Reorganisationsverfahren (Kreditinstitute- Reorganisationsgesetz) Herzstück des Restrukturierungsgesetzes ist das Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten Das darin vorgesehene Sanierungsverfahren dient der freiwilligen Sanierung des Kreditinstitutes, ohne in Drittrechte einzugreifen.

Hält das Kreditinstitut das Sanierungsverfahren für aussichtslos, kann ein Reorganisationsverfahren durchgeführt werden.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Kreditinstitut in seinem Bestand gefährdet und von systemischer Relevanz ist. Im Unterschied zum Sanierungsverfahren kann im Reorganisationsverfahren in Gläubigerrechte eingegriffen werden.

Prinzipiell soll das Reorganisationsverfahren erst zeitlich nachfolgend für den Fall des Scheiterns des Sanierungsverfahrens zur Anwendung kommen. Das Kreditinstitut kann das Reorgansationsverfahren aber auch unmittelbar einleiten, wenn es das Sanierungsverfahren für aussichtslos hält.

Im Rahmen des Sanierungsverfahrens leitet das betroffene Kreditinstitut das Sanierungsverfahren durch eine Anzeige der Sanierungsbedürftigkeit bei der BaFin ein. Mit der Anzeige sind ein Sanierungsplan und ein Vorschlag für einen geeigneten Sanierungsberater vorzulegen.

Nach Prüfung der eingereichten Unterlagen stellt die BaFin unverzüglich einen Antrag beim Oberlandesgericht Frankfurt auf Durchführung des Sanierungsverfahrens, sofern se dies für zweckmäßig hält. Dem Antrag beizufügen ist eine Stellungnahme der BaFin zu den Erfolgsaussichten des Sanierungsplanes und zur Geeignetheit des vorgeschlagenen Beraters.

Wenn der Sanierungsplan nicht offensichtlich ungeeignet ist, ordnet das
OLG die Durchführung des Sanierungsverfahrens an und bestellt zugleich den Sanierungsberater.

Das OLG kann auf Vorschlag der BaFin weitere Sanierungsmaßnahmen ergreifen wie z.B. Eingriffe in die Geschäftsleitung, die Untersagung oder Beschränkung von Entnahmen und Gewinnausschüttungen oder die Ersetzung von Zustimmungen des Aufsichtsrats.

Bei erfolgreicher Sanierung beschließt das OLG die Aufhebung des Sanierungsverfahrens, bei Scheitern des Sanierungsverfahrens findet der Übergang in das Reorganisationsverfahrens statt.

Der Antrag auf Eröffnung des Reorganisationsverfahrens kann von der BaFin nur bei Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs des Kreditinstituts gestellt werden.

Zusammen mit der Anzeige ist ein Reorganisationsplan vorzulegen. Dieser besteht aus einem darstellenden Teil, der die Beteiligten über die Grundlagen und Auswirkungen des Reorganisationsplanes informiert sowie einem gestaltenden Teil, der festlegt wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Reorganisationsplan geändert werden soll, insbesondere durch Eingriffe in Gläubigerrechte und in Rechte der Anteilsinhaber, insbesondere durch die Möglichkeiten des "Debt-to-Equity Swap", einem Tausch von Kreditverbindlichkeiten gegen Beteiligungskapital.

Ferner besteht die Möglichkeiten, dass das Kreditinstitut sein Vermögen ganz oder in Teilen ausgliedert und auf einen bestehenden oder neu zu gründenden Rechtsträger gegen Gewährung von Anteil dieses Rechtsträgers überträgt.

Ist der Antrag durch die BaFin beim OLG Frankfurt gestellt, prüft das OLG den Reorganisationsplan, ordnet per Beschluss die Durchführung des Verfahrens an und bestellt einen Reorganisationsberater. Über den Plan findet jeweils eine Abstimmung in Gruppen statt, wobei die Gläubiger und die Anteilsinhaber jeweils eine Gruppe bilden.

Für die Gläubigergruppen sowie die Gruppe der Anteilseigner ist die Möglichkeit einer Zustimmungsersetzung vorgesehen.

Mit der Bestätigung des Reorganisationsplanes durch das OLG Frankfurt wird der Plan wirksam.

Im Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute (Restrukturierungsfondsgesetz) wird ein Kapital bildender Restrukturierungsfonds, dessen Zielgröße sich auf 70 Milliarden Euro beläuft, geschaffen, in den Kreditinstitute regelmäßig Beiträge zahlen müssen.

Weitere Änderungen, die das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz und das Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz betreffen, dienen insbesondere der Erleichterung der Rückführung der vom Finanzmarktstabilisierungsfonds im Rahmen von Stabilisierungsmaßnahmen erworbenen Aktien beim Publikum. Außerdem wird die Nachbefüllung der bisher geschaffenen Abwicklungsanstalten durch weiteres risikobehaftetes Vermögen der fortbestehenden Restbanken ermöglicht.

Ergebnis:
Ziel des neuen Restrukturierungsgesetzes ist es die Krisenbewältigung, Sanierung und Reorganisation von Banken zu erleichtern.

Hierzu werden der BaFin neue aufsichtsrechtliche Maßnahmen zur Verfügung gestellt, um die Eigenmittelausstattung und die Liquidität der Banken frühzeitig zu verbessern.

Durch das neue Instrument der Übertragungsanordnung können systemrelevante und nicht systemrelevante Bestandteile eines Kreditinstitutes voneinander getrennt werden.

Durch das Kreditinstitute- Reorganisationsgesetz wird ein zweistufige Verfahren geschaffen um Kreditinstitute außerhalb der Insolvenz zu sanieren.

Dabei kann das Sanierungsverfahren von allen Kreditinstituten eingeleitet werden, das sich daran anschließende Reorganisationsverfahren nur für systemrelevante nstitute.
Es bleibt abzuwarten inwieweit dieses Verfahren von der Praxis angenommen wird.

Restrukturierungsgesetz enthält außerdem Regelungen um Vergütungen in Unternehmen, die dem Finanzmarktstabilisierungsfonds oder Restrukturierungsfonds unterliegen, zu begrenzen.

Quelle: Müller/ Eising/ Brandt/ Sinhart/ Lorenz/ Löw
„Das Banken-Restrukturierungsgesetz“
Der Betriebsberater 2011/ S.66-67